Die Ukraine ist anders – Deutschland ist es auch

Nun bin ich schon wieder einen Monat in Deutschland, Zeit einen Rückblick zu wagen. Ich hatte sehr aufregende, erlebnis- und lehrreiche 10 Monate in der Ukraine und um es gleich vorweg zu sagen, ich würde es sofort wieder tun.

Ich habe Land und Leute ganz anders kennen gelernt, als es in einem Urlaub möglich ist, habe mich mit Problemen und Ansichten auseinandergesetzt, die man nur erfährt, wenn man länger da ist und habe so auch selbst neue Ansichten und Einsichten gewonnen.

Erst einmal zu ein paar blanken Zahlen. Mit dem Zug, Auto oder Bus war ich in den zehn Monaten ca. 23.000 km unterwegs, nimmt man die Flugstrecken innerhalb dieser Zeit hinzu komme ich sogar auf 37.000 Reisekilometer innerhalb von zehn Monaten. Über einen Monat, genauer gesagt 39 Nächte habe ich in Hotels oder bei Freunden in der Ukraine verbracht und genau zwei Wochen (also 14 Nächte) habe ich in Zügen oder Bussen geschlafen. Den größten Teil meiner Reisezeit habe ich in der Hauptstadt Kiew verbracht, dort war ich insgesamt zwei Wochen. Ich war ganz im Westen (Lemberg, Karpaten) und ganz im Osten (Charkiw, Donezk, Dniepopetrovsk) der Ukraine, ich war auf der Krim und in Odessa und habe somit die wichtigsten Punkte gesehen. Die ein oder andere Stadt würde mich noch sehr interessieren, aber wer weiß schon was die Zukunft bringt, vielleicht werde ich sie noch sehen.

In der Überschrift heißt es: ‚die Ukraine ist anders – Deutschland auch‘. Und genau so verhält es sich auch. Viele Dinge im ukrainischen Alltag unterscheiden sich einfach komplett vom deutschen Alltag, dass wir das als vermeintlich ‚schlecht’ beurteilen, hängt mehr mit unserer Erwartungshaltung als mit der Realität zusammen. Manche Dinge erlebe ich jetzt im Nachhinein als positiv. Um nur ein Beispiel zu nennen, ist es die Wertschätzung gegenüber Nahrungsmitteln. In der Ukraine wird auch zerdalltes, älteres Obst und Gemüse noch verkauft (selbstverständlich zu reduzierten Preisen) und auch das frische Obst wird nicht einer derartigen Auslese unterzogen wie bei uns. Kürzlich war ich im deutschen Supermarkt völlig schockiert als ein Apfel dem anderen genau glich, was nicht perfekt ist, wird bei uns aussortiert und im besten Fall noch zu Apfelmus gemacht oder eben komplett entsorgt. In der Ukraine wird das alles verwertet. Es ist schade, dass uns im Laufe der Zeit und durch unseren Reichtum dieses Bewusstsein scheinbar abhanden gekommen ist.

Ich möchte zum Abschluss keine Lobeshymne auf die Ukraine halten, denn es liegt einiges im Argen in diesem Land. Die politische Situation ist miserabel, Menschenrechte werden mehrfach verletzt (Behinderte, Schwule, politisch Gefangene) und Korruption ist bis in den Alltag hinein spürbar, selbst für Ausländer. Dennoch würde ich gern, auch in Anbetracht der präeuropameisterschaftlichen deutschen Berichterstattung, ein differenziertes Bild der Ukraine aufzeigen und zeigen, dass manche Dinge einfach nur anders sind, weder besser noch schlechter. Jenseits der Politik und des korrupten Staates gibt es nämlich noch die einfachen Menschen und die sind, wie in anderen Ländern auch, mal freundlich und mal sehr unfreundlich. Eine Beobachtung möchte ich aber hier noch kundtun, ist man mit einem Ukrainer befreundet oder gut bekannt, würde dieser alles für einen tun. So sind Freunde aus der Ukraine für mich mehrere Stunden an Ticketschaltern angestanden, weil ich es selbst nicht auf die Reihe gebracht habe, haben mir Taxis zu den unmöglichsten Zeiten gerufen, haben mir bei der Abreise den Koffer zum Bahnhof gefahren, mir mehrfach angeboten beim Umzug, etc. zu helfen, die Liste könnte beliebig weiter geführt werden. Und dieser selbstverständliche Einsatz,  nicht nur mir gegenüber, sondern auch untereinander, ist in anderen Ländern schwer zu finden. In anderen Ländern zückt man, auch ich selbst, erst einmal den Terminkalender, um zu sehen, ob man helfen kann. In der Ukraine habe ich das nie erlebt und musste mich am Anfang auch erst daran gewöhnen, dass Leute so selbstverständlich helfen, selbst wenn sie dafür, zum Beispiel ihre eigene Arbeit und andere Termine verschieben.

Noch ein kurzes Statement zur EM. Klar, das mit den Hotelpreisen ist negativ zu bewerten, da gibt es auch nichts dran zu rütteln. Dass aber der ein oder andere Taxifahrer oder das ein oder andere Restaurant ein Geschäft machen will, ist wohl normal, in einem Land, das Touristen bisher kaum kennt und in welchem doch eine größere Armut herrscht als in den westlichen Industrienationen.  Ich habe mit vielen Fans geredet und bin auch selbst während der EM viel herumgefahren und habe keine allzu horrenden Preise erlebt. Die meisten Fans empfanden Taxifahrten etc. als günstig und die Ukrainer im Allgemeinen als freundlich und hilfsbereit.

Selbstverständlich war die Verständigungssituation während der EM nicht immer einfach. Aber wie gesagt die Ukraine hat kaum Touristen und die Ukrainer selber kommen kaum aus ihrem Land heraus, so dass Fremdsprachenkenntnisse nicht zwingend notwendig sind für den ukrainischen Alltag. Wenn ich aber an Italienreisen aus der Kindheit zurückdenke, kann ich mich auch nicht daran erinnern, dass irgendein Italiener Englisch oder Deutsch gesprochen hätte oder dass es Schilder in mehreren Sprachen gab und trotzdem fuhren wir alle hin, ohne uns zu beschweren.

Ich habe, wie meinen vorherigen Blogeinträgen zu entnehmen ist, Positives und Negatives in der Ukraine erlebt und blicke auf eine Zeit zurück, die mich sicher geprägt  und meinen Blick geschärft hat. Manche meiner Positionen hinsichtlich der Ukraine und auch Deutschlands habe ich geändert. Ich konnte an der Universität viele neue Erfahrungen sammeln und bin dankbar, dass ich so tolle und engagierte Studenten hatte. Besonders freue ich mich, dass ein Student von mir ein Stipendium für eine Deutschlandreise bekommen hat und im Anschluss daran ab nächster Woche einen Intensivkurs in Deutschland besucht.

Ich freue mich sehr wieder in Deutschland bei meiner Familie und meinen Freunden zu sein, vermisse aber die Ukraine, meine Arbeit und vor allem meine Freunde dort mehr als gedacht. Wie es beruflich weitergeht, wird sich hoffentlich bald entscheiden. Die Bewerbungs- und Entscheidungsphase ist mir unangenehm und ich bin froh, wenn sich in dieser Richtung bald etwas tut. Bevor es endgültig mit Arbeiten losgeht, werde ich noch Peru und Ecuador erkunden und freue mich schon jetzt auf dieses nächste Abenteuer.

Bye Bye Charkiw

Es ist Zeit zu gehen: ich gehe nach 10 Monaten weg von Charkiw, die Deutschen verlassen die EM und das obwohl ich sie fest für das am Sonntag stattfindende Finale in Kiev eingeplant hatte.

Im Moment, weiß ich nicht wirklich, was ich schreiben soll. Die letzten Tage waren voll traurigschöner Abschiedsmomente und ich bin sehr sehr dankbar für all die Menschen, die ich hier in den letzten Monaten kennenlernen durfte und die mich in diesem sehr interessanten, erfahrungsreichen, manchmal abenteuerlichen Lebensabschnitt begleitet haben und mit denen ich unbeddingt weiter in Kontakt bleiben möchte.  Dankbar bin ich auch all den Freunden und meiner Familie zu Hause, die mit mir während der 10 Monate in Kontakt blieben, die sich mit mir freuten, wenn ich wieder mal etwas Neues erleben durfte und die mir beistanden, wenn zum Beispiel im Winter die Heizung ausfiel oder ich aus meiner Wohnung geworfen wurde.  Situationen, in denen ich am liebsten von Charkiw nach Zimmern gerannt wäre. Leicht war das Abenteuer ‚Ukraine‘ wirklich nicht immer. Ob ich es wieder machen würde? Klares JA. Was ich in den letzten Monaten gelernt und erlebt habe, das hätte ich an einer deutschen Uni nie und nimmer lernen können. Die Erfahrungen, die ich hier gemacht habe, werden prägend sein für mein Leben und ich denke, dass ich viel über das Leben, über andere (Menschen, Kulturen, Gedankensysteme) und vor allem über mich selbst gelernt habe.

Nun freue ich mich schon sehr auf Deutschland und auf meine Familie und Freunde und kann es mittlerweile kaum mehr erwarten am Montag deutschen Boden zu betreten.

Zuvor geht es noch nach Kiev, leider nicht unter den fröhlichen Umständen einer deutschen Finalteilnahme. Ehrlich gesagt hat mich das Ausscheiden 2006 mehr geschmerzt. Ich habe gestern Abend zu wenig das Gefühl gehabt, dass die Spieler WIRKLICH den Titel wollen, da war kein großer Hunger, kein großer Kampf, keine Leidenschaft. Khedira einmal ausgenommen. Die Enttäuschung des Abends in meinen Augen war Toni Kroos. Was erlaubt sich dieser Typ, in der Presse zu verbreiten, dass es mit ihm im Spiel eine Leistungssteigerung gebe, davon war bei Weitem nichts zu sehen. Schade, dass Reus nicht von Anfang an gespielt hat! Na ja, ich lass mich jetzt nicht weiter über Fußball aus. Sarah und ich werden uns trotzdem zweieinhalb schöne Tage in Kiev machen, ist ja nicht so, dass die Stadt nichts zu bieten hätte.

Tschüss Charkiw, Do swidannja i paka paka – bis bald in Deutschland!!!

Ivano – Frankivsk

Am Samstag ging es mit der Marshrutka nach Ivano-Frankivsk (ca. 220 000 Einw.), dem früheren Stanislau, einem Städtchen im historischen Galizien. Die wacklige Marshrutka Fahrt nutzte ich für ein ebenfalls verwackeltes Schläfchen. In IF angekommen machten wir uns auf die Suche nach unserem Hostel, was schließlich als 1stündiger Marsch durch die Innenstadt bei großer Wärme und mit schwerem Gepäck auf dem Rücken endete.

Als erstes gingen wir in die Apotheke, um eine Salbe gegen meinen sehr seltsam aussehenden Stich zu holen. Zwischenzeitlich sieht alles wieder einigermaßen normal aus und ich habe keine Angst mehr, dass mir meine Wade abfault. Danach gab es Mittagessen, was unbedingt bemerkenswert ist, denn das Essen schmeckte wie bei meiner Uroma in Dietingen. Es gab Schweinerippchen und Kartoffeln in einer paprikahaltigen Soße, die stark an die ungarische Küche, die ich ja sehr verehre, erinnerte. Übrigens, ich beschäftige mich auch mit anderen Dingen jenseits von Essen und Trinken.

Frisch gestärkt erkundeten wir die schöne Innenstadt, das Rathaus, den Marktplatz, die armenische Kirche, die griechisch- katholische Kirche und so weiter. Auch eine Fußgängerzone hat IF zu bieten. Das gefällt mir sehr an den Städten in der Westukraine (wie Lemberg, Cernivtsi und eben IF), in der Ostukraine gibt es das kaum oder nur auf minimalem Raum. In einem Café haben wir dann plötzlich eine Deutsche getroffen, die zu Besuch bei ihrer ukrainischen Freundin war (ebenfalls perfekt deutsch sprechend). Wir wurden sogleich zur Taufe am nächsten Tag eingeladen, was wir leider nicht wahrnehmen konnten, da unser Zug schon früher fuhr. Schade, dass hätte mich wirklich interessiert. Gegen Abend machten wir noch einen Spaziergang um den innerstädtischen See, wo es eine Art Ritter- oder Mittelalterfestival gab mit allerlei Showeinlagen, Verkaufsständen und einer Band. Abends gingen wir gemeinsam mit einer Russin, die ebenfalls im Hostel wohnte, in einem Restaurant Fußball schauen. (Spanien – Frankreich)

Am Sonntag spazierten wir noch einmal durchs Zentrum, bevor wir ins auf den Weg ins Hostel machten, um unser Gepäck zu holen. Und siehe da, wir standen vor verschlossenen Türen! Und das eine Stunde vor Abfahrt unseres Zuges. Nach einer gefühlten Ewigkeit kam der Hostelbesitzer in aller Ruhe angefahren und verschaffte uns Zugang zu unserem Gepäck. Danach fuhr er uns glücklicherweise selbst zum Bahnhof, da es mit einem Taxi zeitlich hätte eng werden können. Wie immer ging also alles auf die letzte Minute gut. Auf dem Bahnhof kaufte ich mir noch einen absoluten kulinarischen Tiefpunkt ein: eine Mikrowellenpizza. Dieses Ding schmeckt ohnehin schon undefinierbar und dient eigentlich nur zur Sättigung, zu allem Überfluß war meine unten auch noch mit Schimmel überzogen, so konnte das gute Stück nicht mal der Sättigung dienen.

Nach zweieinhalbstündiger Fahrt im angenehmen Viererabteil hieß es in Lemberg für weitere 18 Stunden in die Holzklasse umzusteigen. Auf dem Bahnhof in Lemberg nahm ich von Antje Abschied und begab mich auf meine Pritsche. Abends freundete sich ein Ukrainer mit mir an und teilte mit mir seine Essensvorräte. Sehr freundlich, die Fußball EM scheint doch einen guten Einfluss auszuüben, denn er fragte mich sofort, ob ich zur EM da sei und war dann ganz begeistert davon. Leider sprach er nur Russisch, so dass es bei dieser kurzen Unterhaltung blieb. Er wollte mir noch unbedingt etwas schenken. In Lemberg hatte er wohl zwei Besen gekauft, den einen schenkte er dann mir. Das ist wohl das außergewöhnlichste Geschenk, das ich erhalten habe. Ich werde es allerdings nicht nach Deutschland importieren.

 

Seit Montag bin ich wieder daheim, was im Moment noch Charkiw bedeutet. Jetzt heißt es Wäsche waschen, aufräumen, aussortieren, Koffer packen, Koffer ausräumen, wieder einräumen, draufsitzen und neuer Schließversuch. In  zehn Monaten kam mehr zusammen als ich dachte. Gestern Abend nahm ich von einer Freundin in unserem Stammlokal Abschied. Es war sehr emotional. Heute morgen war unser Prorektor dran. Wir vereinbarten künftig zu kooperieren und ich bekam ein Bild der Universität sowie eine Urkunde für hervorragende Leistungen und Engagement.

Mit meinem im Internet gekauften Busticket hatte ich heute noch Schwierigkeiten. Ich war fast eine Stunde auf dem Busbahnhof ehe man mir, dank der Freundlichkeit einer Verkäuferin und eines Kunden, die sich für mich bei der anderen Verkäuferin einsetzten, für meinen Voucher ein handgeschriebens Busbillet aushändigte. Ich hoffe sehr, dass ich damit am Freitag meine Reise antreten kann.

 

Die EM Touris haben Charkiw in die Viertel- und Halbfinalspielorte verlassen, beziehungsweise ist die orangene Fraktion längst in ihren Wohnmobils heim gefahren. Die lockere Stimmung und die Fröhlichkeit, die in der Stadt lagen, sind wieder dem Alltag und der Normalität gewichen.

Ich bin nun in einer sehr seltsamen Verfassung. Da sind Abschied, Abschiedsschmerz und Wehmut, da sind Nervosität, Nervenkitzel und Anspannung vor dem deutschen Halbfinale und der Möglichkeit Deutschland live im EM Finale zu sehen und das sind Vorfreude und ein kaum mehr warten können, bis man endlich mal wieder alle Lieben in den Arm nehmen kann.

 

Die Karpaten – ein bisschen Allgäu in der Ukraine oder Land, Leben, Lust und Laune im Westen der Ukraine

 

Bei sengender Hitze machten wir uns am Montag, den 18. Juni, auf den Weg von Lemberg in die Karpaten – genauer gesagt nach Vorochta – einem kleinen (aber städtisch organisierten) Flecken inmitten der Karpaten. Die Fahrt glich eher einer Tortur, da wir sozusagen in der vierten Klasse eines Regionalzuges unterwegs waren. Hier haben die Sitzplatznummern keine Gültigkeit und der Zug wird hoffnungslos überladen. Bei gefühlten 40°C teilten wir unsere drei Liegen mit acht weiteren Menschen und schwitzten gemeinsam um die Wette – auch eine Art ukrainischer Sommersauna. Nach sechs Stunden, in denen sich der Zug immer mehr geleert hatte, kamen wir in Vorochta an und wurden von unserem netten Vermieter direkt am Bahnhof abgeholt und in unser Cottage gebracht. Auf seinem Hof angekommen, stellte er uns in der Küche seine Familie samt Hofhund vor – eine gastfreundliche Atmosphäre. Unser Cottage war ein kleines Holzhäuschen mit zwei Stockwerken, einem Minibad, einem Kühlschrank und einem Fernsehen mit ZDF Empfang (zu EM Zeiten ein klarer Vorteil). Wir nutzten das Fernsehrgerät sogleich, um die Partie zwischen Kroatien und Spanien noch zu Ende zu sehen, bevor wir uns völlig übermüdet in unsere Betten warfen, die so geräuschvoll knarrten, dass man bei jeder Bewegung, das ganze Hause in Erschütterung versetzte.

 

Am nächsten Morgen grüßte uns die strahlende Junisonne und wir sahen zum ersten Mal bei Tageslicht die wundervolle Umgebung unseres Cottages. Umgeben von dunkelgrünen Tannenwäldern und saftig grün bewachsenen Hügeln frühstückten wir vor dem Haus. Einen kleinen Schock bekamen wir als wir die gemeinsame Küche betraten, entsprachen der dortige Geruch und die Sauberkeit nicht ganz unseren Vorstellungen, aber sei es drum, wir waren ja nur für ein paar Tage hier und auf deutschen Bauernhöfen kommen einem zuweilen auch seltsame Gerüche entgegen.

Da ich immer noch etwas geschwächt war von meiner kleinen Sommergrippe, erkundeten wir an diesem ersten Tag nur unser Dorf. Gedopt von einer Flasche Hustensaft, die ich in der Rekordzeit von wenigen Tagen austrank, machte(n) ich/wir uns auf den Weg. Wir waren alle begeistert von der Schönheit mancher Höfe und von der Sorgfalt, mit der teilweise Blumenschmuck angebracht war, beziehungsweise Gärten angelegt wurden. Die Leute arbeiteten noch mit Sensen im Garten und machten ihr Heu selbst mit Gabeln zusammen. Wie in der Überschrift ersichtlich, erinnerte mich die Gegend stellenweise an das Allgäu aus unseren Zeltlagern. Die leicht hügelige Landschaft (ca.700-800m Höhe um das Dorf), die verstreuten Häuser, die vielen Wiesen, die Dorfbewohner, die erst kauzig wirken, aber in Wirklichkeit sehr hilfsbereit und freundlich sind. Durch das Dorf mäandert der junge Prut, in dem Antje und Jakob auch gleich ein Fußbad nahmen. Aus gesundheitlichen Gründen musste ich darauf leider verzichten.

Zum Mittagessen testeten wir eine der vier Dorfkneipen und was soll ich sagen? Wunderbar. Eine frische Forelle mit Kräutern gedünstet, dazu selbst gemachte Pasta. Letzteres ist eine absolute Rarität in der Ukraine, wo die Menschen vornehmlich Kartoffeln, Reis, Buchweizengrütze, verschiedene Teigtaschen und Kohl als Beilage essen. Mein schwäbisches Spätzleherz freute sich jedenfalls sehr über die selbstgemachten Nudeln, die geschmacklich nicht enttäuschten.

Nach der Ankunft war ich schon in großer Sorge, ob ich meinen Cola-Light Konsum in diesem Örtchen würde fortführen können, aber oh Wunder in einem Produkty gab es Cola-Light in allen Flaschengrößen. Es scheint also im Ort mindestens noch einen Süchtigen zu geben. So langsam sollte ich mir überlegen, ob ich nicht wirklich bald einen Exklusivvertrag mit Coca-Cola abschließe.

Nach einem erholsamen Spätnachmittagsschläfchen machten wir uns wieder auf den Weg ins Dorf, um gemeinsam mit den Einwohnern in einer Kneipe das letzte Vorrundenspiel der Ukraine gegen England zu sehen. Vornehmlich sehr junge und sehr alte Leute wohnten dem Ereignis bei und sahen gut kämpfende Ukrainer, für die es am Schluss dann doch nicht reichte. Die Enttäuschung der Leute hielt sich aber in Grenzen, war man im Allgemeinen doch zufrieden mit dem Auftreten der Mannschaft.

Die EM-Stimmung ist auf dem Land nicht so präsent wie in der Stadt. Vereinzelt sieht man Leute in Trikots oder Fahnen am Auto und viele wissen auch über die aktuellen Spiele bescheid und alle Spiele werden übertragen, dennoch scheint das tägliche Leben im Vordergrund zu stehen. Verständlich, ist man doch vom nächsten Austragungsort auch ein ganzes Stück entfernt. Also zusammengefasst: Interesse: JA, Euphorie: nein.

 

 

Am Mittwoch machten wir uns auf den Weg den höchsten Berg der Ukraine, die Hoverla, zu besteigen. Dazu nahmen wir ein Taxi in den Nationalpark, wo unser Ausgangspunkt auf ca. 1200m Höhe lag. Von dort mussten wir ca. 800 Höhenmeter auf den Gipfel (2061m) bewältigen. Der Anfang führte uns durch einen Nadelwald über Wurzeln und kleine Brücken. Danach liefen wir ein langes Stück über Wiesenwege und kurz vor Schluss wurde es etwas felsiger, dennoch ist der Gipfel immer noch von Gras umgeben. Die Ukrainer legten in den Bergen ein anderes Verhalten an den Tag als der Durchschnittsdeutsche. Marschierten wir mit ordentlich gepacktem Rucksack und geschnürten Wanderstiefeln in langsamen aber stetigen Schritten dem Gipfel entgegen, rannte der Ukrainer in Sneakers oder Chucks und einem Turnbeutel um die Schultern beziehungsweise einer Wasserflasche in der Hand den Berg hoch. Alle 10 Minuten legte der Ukrainer dann eine Pause ein, um sein hohes Tempo atemtechnisch zu kompensieren, taten wir das nur zweimal auf dem Weg zum Gipfel. Angekommen sind wir alle – sogar gleichzeitig. Auf dem Gipfel hieß es für die Ukrainer ausführliche Fotosession, Anruf bei sämtlichen Freunden und Verwandten, um mitzuteilen, dass man den Gipfel erklommen hat und danach essen und trinken. Wir begnügten uns mit wenigen Erinnerungsfotos und fingen dann zu Essen an. Liebe FFV’ler ihr seht, ich habe mich für unsere Gletschertour bereits eingewandert, auch wenn ein Muskelkater in den Oberschenkeln am nächsten Tag nicht ausblieb. Andere Muskelgruppen, wie etwa der Schluckmuskel zur Beförderung trauben- oder gerstenhaltiger Getränke, scheinen hingegen schon ausreichend trainiert zu sein.

 

Nach dem Abstieg ging es zurück nach Vorochta, wo am Abend Schaschlik auf uns wartete, das wir vor unserem Cottage grillten. Ein wahrer Genuß, wären da nicht die drei Katzen gewesen, die uns unentwegt unser Schaschlik streitig machen wollten, wäre es noch eine Ecke erholsamer gewesen.

 

 

Am Donnerstag gingen wir den sogenannten Brückenweg entlang. Im Prinzip liefen wir von Dorf zu Dorf, vorbei an verschiedenen Brücken und lernten so die Gegend noch besser kennen. Das Wetter war wieder bestens und so wanderten wir frohen Mutes, trotz unseres Muskelkaters vom Vortag. Nach unserer Mittagsrast gelangten wir an eine Stelle, an der Landschaft und Wanderkarte nicht mehr 1:1 übereinstimmten. Wir fragten ein paar Bauarbeiter nach dem Weg und sie beschrieben uns einen direkten Weg und einen Weg durch den Wald, der schwer zu finden sei. Letzterer entsprach am ehesten dem Weg auf unserer Karte, also gingen wir durch den Wald. Von Weg war hier bald keine Spur mehr, so liefen wir großteils durch dichtes Gestrüpp ( Aua Brennnesseln), durch ein Flussbett (Vorsicht nass) und querfeldein – einfach immer der Nase nach. Tatsächlich kamen wir am Ende (nach über zwei Stunden) wieder in der Zivilisation und sogar am richtigen Ort an – an mir und meiner Orientierung lag das definitiv nicht. Am Abend mussten wir uns von Jakob verabschieden, der einen Viertelfinaltermin in Donezk wahrnehmen musste. Wir gingen am Abend lecker Fisch essen in Dorfpinte Nummer 3.

 

Am vierten Tag machten wir uns auf den Weg zu einem Wasserfall. Dazu mussten wir ein Taxi ins benachbarte Tatariv nehmen. Auf dem Dorfplatz wurden wir von einem Ami sofort als Deutsche identifiziert. In meinem Fall wundert es wohl kaum einen – gekleidet mit Wanderschuhen und adidas Sportsocken gab ich wohl den perfekten deutschen Wandertouri ab. Von Tatariv aus gingen wir gen Wasserfall. Auf dem Weg dort hin war eine Brücke bemerkenswert, deren wacklige Konstruktion wohl einen Besuch des gesamten FFV nicht überstanden hätte. Nach dem Wasserfall ließen wir uns in einer urigen Karpatenkneipe Schaschlik schmecken und da der Zeiger beim Mittagessen schon Richtung 16:00 Uhr wanderte, wurde das Fußballerherz in mir immer nervöser. Da wir auf dem Rückweg so müde waren, beschlossen wir heim zu trampen. Eine Premiere für mich. Wir hatten Glück und wurden relativ schnell mitgenommen. Unser Fahrer war ein ziemlich verrückter Typ, mit sehr seltsamen Ansichten: eine Mischung aus Naturreligion, asiatischer Philosophie, Antisemitismus und Heimatliebe. Er zeigte uns noch die ganze Gegend, bevor er uns heimfuhr und wir kamen aus dem Staunen nicht mehr raus. Das Skigebiet in Bukowel macht wirklich etwas her, österreichische Liftanlagen, Hotels, alles in gutem Zustand.

Nach dieser Rundfahrt bereiteten wir uns mit Radler und Salzstangen auf das Spiel vor und wie jeder weiß, wurden wir nicht enttäuscht. Deutschland steht im Halbfinale der EM 2012, hoffentlich führt uns der Weg bis nach Kiew und von da auf den Römer oder das Brandenburger Tor, wo auch immer, das Ereignis im Falle eines Falles zelebriert werden könnte.

 

Puuuh ganz schön langer Text geworden. Ist hier etwa meine Liebe zu den Bergen widergespiegelt?

An der selben Stelle geht es bald weiter mit der letzten Etappe meiner Karpatenreise: der schönen Stadt Ivano-Frankivsk und der 22 stündigen Heimreise nach Charkiw. Ihr seht also alles bleibt Altem: Jeden Tag ein neues Erlebnis für Miri!

Lemberg – Lviv – Lvov – Deutschland schießt sich ins Viertelfinale

 

Letzte Woche habe ich mich mit einem Kollegen auf die lange Reise (18 Stunden im Zug) nach Lemberg gemacht, wo Deutschland sein letztes Vorrundenspiel gegen die Dänen bestritt. Bis Kiew hatten wir die Viererkabine allein und konnten also ganz komfortabel reisen. In Kiew kamen zwei Deutsche hinzu, die ebenfalls das Spiel besuchen wollten. So konnten wir uns also nach einer kurzen Zugnacht beim Frühstück ausgiebig über die Taktik des kommenden Spiels unterhalten. Mir ging es auf der Fahrt weniger gut, leider habe ich mir irgendwie eine Sommergrippe eingefangen und so musste ich mich den ganzen Tag mit den verschiedensten Tabletten vollpumpen und auch schreien war im Stadion dieses Mal nur schlecht möglich, da meine Stimme schon vor dem Spiel ramponiert war, so was kenn ich eigentlich nur nach dem Spiel. In Lemberg angekommen, lernten wir sogleich die dortige chaotische Situation im Nahverkehr kennen. Der ganze Verkehr staut sich in der kesselartigen Innenstadt und es ist ratsamer zu Fuß unterwegs zu sein. Nach einer erfrischenden Dusche gingen wir in die Innenstadt, wo sich unsere kleine Fangruppe, die großteils aus Deutschlehrern in der Ukraine bestand, versammelte. Witzigerweise habe ich noch ein Mitglied der Charkiwer Partycrew vom Hollandspiel getroffen, der sich uns dann auch noch für ein Weilchen anschloß. Frisch gestärkt mit ukrainischen Spezialitäten und Bier machten wir uns auf den Weg ins Stadion, was in Lemberg einer Odyssee gleicht. Das Stadion liegt nämlich weit außerhalb der Stadt und rundherum ist quasi Feld. Mit mehreren Shuttlebussen wurden die Fans auf das ‚Schlachtfeld’ transportiert, um dort noch einmal einen kleinen Fußmarsch Richtung Stadion zu bewältigen. Schade ist, dass rund um das Stadion wirklich Nichts ist, will heißen, wer vor dem Spiel noch etwas essen oder trinken möchte, muss schon die Sicherheitsbarriere überschreiten und ins Stadioninnere gehen, wo sich 30 000 Leute in langen Schlangen bei Bier und Sandwiches reihen. Doch genug genörgelt, das Stadion selbst ist schön und war gegen Dänemark fest in deutscher Hand.

Nach dem Sieg und dem ersten Platz in der Gruppe B sollte es flott zurück ins Zentrum gehen, was so nicht zu verwirklichen war, weil die Shuttlebusse, welche die Fans zum Stadion fuhren, nun mit 30 000 Menschen auf einen Schlag eher überfordert waren. Nach dem wir endlich in der Stadt angekommen waren, waren einige deutsche Fans auf dem Marktplatz von Lemberg schon damit beschäftigt Statuen in deutsche Trikots zu stecken. Die Stimmung im Zentrum war gut, aber nicht ausgelassen, dafür war die Fahrt vom Stadion ins Zentrum doch zu lang. Die meisten Fans haben, wie wir, noch etwas gegessen und getrunken und haben die laue Sommernacht genossen. Gegen Morgen wurde es auch in Lembergs Gassen ruhig und friedlich schlummerten wir mit dem Traum von einem Sieg gegen die Griechen ein.

Bei einem kombinierten Frühstück-Mittagessen am nächsten Tag trafen meine beiden Reisepartner Jakob und Antje für die Karpaten in Lemberg ein. Wir schlenderten noch einmal durch das schöne Lemberg und dann mussten wir uns auch schon auf den Weg zum Zug nach Vorochta (Karpatendorf) machen.

Deutschland in Charkiw

Am Mittwoch war es endlich soweit: die deutsche Nationalmannschaft gab ihr Gastspiel im orangenen Charkiw. Die ersten deutschen Schlachtenbummler trafen bereits am Montag ein, fielen allerdings in der orangenen Menge kaum auf. Am Mittwoch landeten hier auf unserem Miniflughafen in Charkiw 70 Flugzeuge, viele davon prall gefüllt mit deutschen Anhängern.

Schon Nachmittags ging es auf der Fanzone heiß her. Holländer und Deutsche stimmten sich friedlich auf das große Duell ein. Je näher der Anpfiff rückte, umso nervöser wurde ich. Die Stimmung im Stadion war gigantisch und obwohl die deutschen Fans zahlenmäßig unterlegen waren, übertrafen sie in der Lautstärke die holländischen Anhänger um einige Dezibel. Das Spiel verlief dann nach Plan, besonders gefreut habe ich mich über die zwei Gomeztreffer.

Nach diesem Spiel lag es auf der Hand die folgende Nacht in einen gleißendhellen, lauten und feierfreudigen Tag zu verwandeln. So wurde es auch gemacht und der Sevchenko Park verwandelte sich in eine Riesenpartymeile, auf der Holländer, die gar nicht so traurig wirkten, und Deutsche gemeinsam feierten. Meine Rückkehr um 7 Uhr morgens sagt wohl alles über die Nacht aus.

Da es am Donnerstag schon wieder so heiß war, bin ich nach vier Stunden aufgestanden, um erst mal kalt zu duschen. Was anderes bleibt mir im Moment ohnehin nicht übrig, da wir seit 10 Tagen ohne warmes Wasser auskommen müssen. Nach dem meine Stimme wieder einigermaßen erholt war von den Strapazen der Nacht, habe ich mich mit einer Freundin getroffen und wir haben zusammen den Nachmittag verbracht.

Gestern war ich mit einigen Studenten an einem stadtnahen Strand, wir genoßen das herrliche Wetter, schwammen, spielten UNO und Volleyball. Gestern Abend sah ich dann mit mehreren tausend Ukrainern die Niederlage der ukrainischem Mannschaft. Komischerweise scheint der ein oder andere Ukrainer das Ergebnis nicht ganz ergriffen zu haben, wie sonst kann man sich erklären, dass die ganze Nacht feiernde und hupende Ukrainer ihr ‚Ukraina‘ durch die Stadt riefen? Na ja sei es drum. Heute Nacht erlebten wir jedenfalls einen dramatischen Temperatursturz. Ich glaube für die meisten Menschen hier war das recht angenehm. Wer mich kennt, der weiß, dass ich mich schon dem Erfrieren nahe sah und heute Nacht extra aufgestanden bin um mich wärmer anzuziehen und meine Winterdecke zu holen. Heute haben wir nur 21° C und ich habe wieder meinen Pullover ausgepackt. Für die nun kommende Zugfahrt nach Lemberg, wo morgen die Deutschen gegen die Dänen spielen, ist dieser Temperatursturz sicher nicht von Nachteil.

Alles in allem erlebe ich hier tolle EM Tage, eine schöne Stimmung im Stadion, auf der Fanzone und in Kneipen und genieße meine letzten Wochen noch einmal so richtig. Jetzt geht es, wie gesagt, nach Lemberg zum nächsten Spiel. Im Anschluss daran stehen die Karpaten auf dem Programm, wo  ich für einige Tage wandern werde. Am 25. Juni werde ich wieder in Charkiw sein und die letzte Etappe einläuten.

 

EM Auftakt

Am Freitag begann bekanntermaßen die lang herbeigesehnte Europameisterschaft! Ich war zum Eröffnungsspiel mit zwei Studenten in der Fanzone in Charkiw. Die ist wirklich gut gemacht, vier Matrjoschkas – holländisch, dänisch, portugiesisch und deutsch – begrüßen die Besucher der Fanzone.

Die Stimmung zum Auftakt war sehr gut und überhaupt herrscht eine tolle Atmosphäre und ein internationales Flair in der Stadt. Im letzten Moment haben einige Läden und Restaurants noch englische Schilder aufgestellt und auch ansonsten wurde alles förmlich auf den letzten Drücker fertiggestellt. Ich genieße es gerade richtig durch die Stadt zu gehen oder zu joggen, denn an jeder Ecke laufen einem Fans, meistens Holländer, entgegen.

Gestern war es dann soweit: mein erster Stadionbesuch bei dieser Europameisterschaft – Holland: Dänemark. Ausgerüstet mit einem Deutschlandschal machte ich mich schon frühzeitig auf den Weg. Schon um das Stadion herum wurde ich von der besonderen Atmosphäre einer Europameisterschaft eingenommen und war fortan einfach glücklich, da zu sein. Vor dem Stadion trafen wir auf ein paar Freunde und tranken gemeinsam ein Bier. Dies wurde uns fast verwehrt, da der Bierhahn just in dem Moment seinen Geist aufgab, als wir bestellten. Nach einer gefühlten Ewigkeit konnte Abhilfe geschaffen werden und wir kamen in den Genuß des kühlen goldenen Getränks. Eine Stunde vor dem Spiel gingen wir ins Stadion und genossen die Stimmung, die feiernden Fans und das Aufwärmen der Mannschaften.

Mit dem Ergebnis war ich ganz einverstanden, da ich mit den Dänen sympathisiert hatte. Für die Stimmung im Stadion war das Ergebnis nicht so gut, da die Mehrheit der Fans Holländer waren.

Nach diesem tollen Stadionerlebnis ging es auf dem schnellsten Weg in unsere deutsche Stammkneipe, das Frau Müller, wo wir gemeinsam der deutschen Mannschaft beim Gewinnen zusahen. Ich war natürlich sehr erleichtert, dass es mit dem Auftaktsieg geklappt hat und freue mich jetzt schon wie ein Kind vor Weihnachten auf das Spiel am Mittwoch.

Heute war ich eine Runde schwimmen und ein Eis essen. Das Wetter ist herrlich, wir haben jetzt täglich um die 30°C und Sonnenschein.

Ich wünsche euch allen eine tolle Woche und hoffe, dass wir am Mittwoch viel Grund zum Jubeln haben werde.

Odessa – my summerlove


 

Vergangene Woche war ich in Odessa und ließ mich von dieser wunderschönen Stadt, der sogenannten Perle des Schwarzen Meeres, verzaubern.

Ich stellte bei der Zugfahrt fest, dass ich mich schon ein wenig ukrainisiert habe. Zum ersten Mal habe ich auch eine Schlafhose mit im Gepäck gehabt für die Nachtfahrt.

In Odessa angekommen führte mein erster Weg ins Hostel und ich bin stolz darauf, das Hostel ohne Taxi allein mit öffentlichen Verkehrsmitteln und mit meinem bekannten Orientierungssinn gefunden zu haben. Zum Hostel: Ich habe mich dort anfangs nicht so wohl gefühlt, weil eine Katze dort ihr Unwesen trieb und ich bekanntermaßen kein großer Katzenfan bin und keine Lust darauf hatte, morgens neben einer Miezekatze aufzuwachen. Das hat sich aber im Laufe der Zeit gelegt, denn ansonsten war das Hostel sehr sauber und alles war aufs Beste organisiert und ich konnte im Laufe der Woche einige interessante Leute kennenlernen.

 

Am ersten Tag habe ich mich mit Freunden aus Charkiw getroffen und wir waren am Strand – sehr schön. Ein kühles Bad im Schwarzen Meer durfte natürlich nicht fehlen – auch wenn ich zugeben muss, dass es mich dieses Mal einige Überwindung gekostet hat.

Abends waren wir im Zentrum unterwegs und haben schon einmal die wichtigsten Sehenswürdigkeiten bei Nacht besichtigt.

 

Odessa ist vor allem bekannt für seine Potemkin Treppe, die ich auch mehrmals besuchte. Hier spielte eine der Schlüsselszenen aus ‚Panzerfaust Potemskin’, in der ein Kinderwagen, die Treppe runterrollte.

Hinter der Potemskin Treppe eröffnet sich ein wunderschöner Platz mit französisch- griechisch anmutenden Häusern, dahinter befindet sich die Katharina Statue, zu Ehren der Stadtgründerin. Ebenfalls erwähnenswert ist die von österreichischen Architekten gebaute Oper.

Odessa strotzt nur so von architektonischen Meisterwerken und tollen Bauwerken. Der Charme der Stadt begegnet einem an jeder Ecke, da sind zum Beispiel die liebevoll angebrachten Straßenschilder, die Alleen mit Kastanien, immer wieder Häuser mit kunstvollem Stuck, Blumenschmuck und nicht zuletzt freundliche und weltoffene Menschen. Der französische Stadtplaner Richelieu, dem eigens ein Denkmal gewidmet ist, hat hier ganz Arbeit geleistet.

Das Leben in Odessa scheint leichter und unbeschwerter zu sein als in der restlichen Ukraine. Die Menschen strahlen Lebensfreude und Weltoffenheit aus und abends kann man wunderschön auf der Fußgängerzone (extremer Seltenheitswert in der Ukraine) flanieren, ein Bierchen trinken, gut essen und Menschen aus aller Welt treffen.

 

Katakomben

Ich ließ es mir nicht nehmen einmal die berühmten Katakomben von Odessa zu besuchen – ein System, das über 2000 km lang unter der Erde verläuft. Im Grunde genommen handelt es sich nicht wirklich um Katakomben, denn der Ort diente nicht als Begräbnisstelle, sondern als ‚Steinbeschaffungsstelle’, die Steine wurden von den Bewohnern unter der Erde herausgeschnitten, um Häuser zu bauen. So entstand im Laufe der Jahre ein weitreichendes Tunnelsystem, das teilweise mehrstöckig unter die Erde geht. Im Zweiten Weltkrieg nutzten Partisanen dieses System, um gegen Rumänien und Nazi-Deutschland zu kämpfen. Man kann Touren dorthin buchen und ein Museum besichtigen. Meine Tour war aber etwas außergewöhnlich und eher illegal. Mit einem Reiseführer sind wir (ein amerikanischer Touri und ich) in einen Nebentunnel eingestiegen und ausgerüstet mit Stirnlampen sind wir zwei Stunden unter der Erde unterwegs gewesen. Dabei mussten wir so manches Mal über gebrochenes Gestein klettern oder irgendwo herunterspringen, um die verschiedenen Stockwerke zu erreichen. Es war ziemlich abenteuerlich und genau betrachtet auch etwas gefährlich, da es immer wieder zu Steinschlägen oder Einbrüchen kommt. Außerdem mussten wir vollstes Vertrauen in unseren transnistrischen Reiseführer haben, denn wer sich einmal in diesem unterirdischen Labyrinth verläuft, findet allein wohl kaum mehr heraus. Ich war total begeistert von der Tour, am Ende aber dennoch froh, wieder Tageslicht zu sehen, da die Tour wirklich eine hohe Konzentration erforderte. Heute dienen die Katakomben den Jugendlichen als außergewöhnlicher und heimlicher Partyort und den Dorfbewohner rund um Odessa als Abwasserkanal.

 

Arkadia Beach

Ein Ort, an den es wohl jeden Sommerbesucher Odessas zieht. Der berühmte Arkadia Strand. Hier ist jede Menge los, es gibt die verschiedensten Clubs und Attraktionen.

Ganz angetan von dem Swimming Pool im Ibiza Club habe ich nicht wenig Geld investiert, um eine Liege am Pool und den Zugang zum Swimming Pool zu erwerben. Es hat sich gelohnt. Ein entspannter Nachmittag am Pool mit Blick zum Meer, einem guten Buch und einem leckeren Cocktail.

 

Alles in allem war ich viel unterwegs in Odessa, habe sehr viel besichtigt und wenig geschlafen und das nicht aufgrund von ausschweifenden Partys, sondern weil im Hostel buchstäblich jede Nacht jemand an- oder abreist oder jemand schnarcht.

Leider kann ich im Moment keine Bilder hochladen, da ich das Potential meines Blogs wohl ausgeschöpft habe. Auf Facebook befinden sich einige Bilder und ich hoffe, dass ich in den nächsten Tagen auch hier wieder Bilder hochladen kann.

Jedem Anfang wohnt ein neuer Zauber inne, jeder Abschied ist ein neuer Anfang – von der Schwierigkeit des Lebwohlsagens

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In diesen Tagen haben viele meiner Wege und Gänge Abschiedscharakter, langsam tue ich alles in dem Bewusstsein, dass es vielleicht das letzte Mal sein könnte. Also noch einmal in dieses Restaurant, noch einmal diese Straße entlang laufen und was am schwierigsten ist, vielleicht nur noch einmal diesen oder jenen lieb gewonnenen Menschen treffen. Und ausgerechnet am Ende eines Auslandsaufenthaltes lernt man erfahrungsgemäß noch einmal sehr nette Menschen kennen und findet noch einmal ein paar Plätze, die man sehr mag. So geht es auch mir gerade. Nach dem sich meine Wohnsituation nun geklärt hat und ich glücklicherweise bei meinem Chef wohnen bleibe, genieße ich diese letzten Wochen noch einmal sehr. Am Mittwoch Abend war ich mit einer Kollegin und deren Freundin auf einem Expat Treffen. Das Treffen selbst war mir zwar ein bisschen zu schnieke, aber die Leute, die ich dort getroffen und kennengelernt habe, waren sehr nett. Und so habe ich gleich für gestern Abend etwas ausgemacht und war mit einer ukrainischen IT-Expertin lecker essen. (wieder etwas Neues entdeckt, dieses Mal eher Haute Cuisine), danach waren wir Cocktails trinken. Und man höre und staune, es gab sogar Caipirinha, was ich das erste Mal in der Ukraine trank und da ich als deutsche Caipiexpertin vorgestellt wurde, gab sich der Barkeeper besondere Mühe und zauberte mir einen sehr leckeren Caipi. Die Bar selbst gefiel mir sehr gut. Die Räume waren großzügig angelegt, aber dennoch so, dass die Gäste jeweils separat sitzen können. Und es gab sogar einen Tresen, was ich bisher nicht so oft gesehen habe, wo man also locker auch einmal allein einen Cocktail trinken kann und so man des Russischen mächtig ist auch ein wenig mit anderen Gästen plaudern kann.  Schade, dass ich das erst jetzt kennengelernt habe, aber ich werde in den kommenden Wochen dort sicher noch einmal auf ein, zwei Cocktails hingehen. Danach waren wir in einer Lounge, von der aus man das Zentrum Charkiws sehen kann. Sehr edel und eine tolle Atmosphäre plus guter DJ. Sarah, Max das wäre auch etwas für uns gewesen.

Mein Charkiwreiseführer ist soweit fertig und online und ich hoffe, dass er einigen Fans weiterhelfen wird. (www.charkiw.wordpress.com )

In der Stadt ist alles schon im EM Fieber und der Freiheitsplatz wird gerade in eine Riesenfanzone verwandelt, überall an den Straßen wird noch einmal Hand angelegt und seit Tagen gibt es aufgrund der Bauarbeiten keinen normalen Verkehr mehr in der Innenstadt. Ich hoffe, dass alles bald  und vor allem rechtzeitig fertig sein wird. Auch die Restaurants bereiten sich bestens vor und ich habe letzte Woche schon ein Fußballtörtchen entdeckt. Ich selber bin nun auch schon total im EM-Fieber und freue mich auf die vier Spiele, die ich besuchen werde.

Heute Abend entfliehe ich dem regnerischen Charkiw und fahre nach Odessa, der Perle am Schwarzen Meer. Ich hoffe, dass ich dort einige erholsame und auch erlebnisreiche Tage verbringen werde und wünsche euch allen ein schönes Wochenende!

 

Wochenende in Kiew – Charkiw ohne Wohnung

Am Wochenende war ich zum vorerst vorletzten Mal in Kiew. Die Anreise war etwas strapaziös, weil ich schon meinen ersten Koffer für den Rückflug mitgenommen habe und dieser wog über 30 Kilo, was in Relation zu meiner Größe und zu meinem Gewicht doch relativ schwer zu stemmen ist. Glücklicherweise kamen aber in Kiew gleich Kollegen herbeigeeilt (Vielen vielen Dank Anja und Florian), die mir geholfen haben. Mit Lemberger und Kiewer Kollegen gönnten wir uns zum Auftakt unseres Trips einen Riesenburger bei T.GI. Fridays.(Ich empfehle den Jack Daniels Burger und die zugehörige Sauce wärmstens) Nachmittags flanierten wir gemütlich auf dem Kreschatyk und machten einen kleinen Einkaufsbummel, der leider nicht ganz so erfolgreich verlief.

Abends hieß es dann Party machen und weil wir vermutlich das letzte Mal in dieser Konstellation zusammen waren, ließen wir es so richtig krachen, man könnte sagen wir sind an unsere Schmerzgrenze und darüber hinaus gegangen. Als wir den Club im Morgengrauen verließen, waren wir nicht wenig erstaunt, dass plötzlich eine Baustelle vor dem Club auftauchte, die am Abend zuvor mit Sicherheit nicht da war. Hatten wir aus Versehen mehrere Tage durchgefeiert? Die logische Konsequenz der Partynacht war, dass wir am Samstag erst am Abend wieder zusammentrafen, um den Eurovisionscontest zu sehen und auch da schwächelten wir noch vor Verkündigung irgendwelcher Ergebnisse ab. Man wird halt nicht jünger, mit Anfang 20 hätten wir das sicher noch locker weggesteckt.

Am Sonntag waren wir wieder voller Tatendrang und gingen bei herrlichem Sonnenschein nach Podil, dem ältesten Stadtteil von Kiew, der mir besonders gut gefällt. Hier ist man einerseits in einer Metropole und auf der anderen Seite strahlt der Stadtteil soviel Ruhe und Charme aus, dass man von Hektik und Urbanität gar nichts spürt. Von Podil aus liefen wir dann den Andriskij Spusk, die schönste Straße Kiews, nach oben. Nach der Komplettrenovierung sind die alten Pflastersteine wieder eingesetzt worden und die Straße versprüht wieder ihren alten Charme. Kurz vor Ende der Straße sieht man dann die hellblau-goldene Andreaskirche (der Apostel Andreas war einer Legende (ich glaube Nestorchronik) zufolge der Gründer von Kiew) auf einem grünen Hügel thronen – herrlich. Danach machten wir es uns in einem Park gemütlich, wo wir auf die alternative Szene Kiews stießen – ein angenehmes Gefühl auf Leute zu treffen, die sich ebenso sorglos ins Gras setzen. (sonst ist das in der Ukraine nicht so üblich) Zum Abschluss unserer Sightseeingtour liefen wir ans Goldene Tor, das letzte erhaltene von ehemals vier Stadttoren, dort tranken wir ehrfürchtig ein Bier gegenüber im Irish Pub. Schon hieß es wieder ab zum Bahnhof, noch ein letztes gemeinsames Abendessen und Abschied nehmen.

Mit dem Nachtzug ging es wieder zurück nach Charkiw. Die Schaffnerin im Zug hatte auf Grund meiner hervorragenden Aussprache sofort bemerkt, dass ich Ausländerin bin und das löste eine solche Unruhe in ihr aus, dass sie durch das ganze Abteil rannte und jemanden suchte, der eine Fremdsprache beherrschte. Ich musste still in mich hineinlachen, da ich alles, was sie sagte, verstand. Jedenfalls fand sie niemanden, der mir das Zugfahren hätte erklären können. Wie immer, bewältigte ich das auch problemlos allein, obwohl Zugfahren natürlich eine extrem heikle Sache ist. Zwei junge Frauen in meinem Abteil unterhielten sich ebenfalls über mich und wunderten sich darüber, was denn das junge Mädchen so alleine in der Ukraine mache und wo sie wohl hinfahre und wie sie das schaffe ohne Russisch zu sprechen. Das war wirklich recht amüsant für mich.

In Charkiw angekommen, fing der Stress an. Waschen, putzen, packen und nicht wissen, wo man am Ende des Tages landen wird. Nachmittags kam mein Vermieter: zunächst Anruf, dass er auf dem Weg sei, keine halbe Minute später stand er da. Das ist doch mal eine Art sich anzukündigen. Nach einer halben Stunde in der eine unerträgliche Stille zwischen mir und meinem Vermieter herrschte  – ich fertig packte und aufräumte und er sämtliche Dinge kontrollierte und abzählte – kam mein Chef samt Fahrer und wir konnten ausziehen. Unglaublicherweise hatte ein Teelöffel bei seiner Inventur gefehlt und das war für meinen Vermieter der ultimative Supergau. Nach all dem, wie er mich behandelt hatte, sind wir einfach mit Sack und Pack verschwunden. Durch die Mieteinnahmen bei der EURO wird er den Löffel schon ersetzen können.

Dann ging es ins Wohnheim. Schon als wir das Wohnheim betraten, ahnte ich böses. Dunkle Flure, mehrfach aufgebrochene Zimmertüren, an die notdürftig immer weitere Schlösser montiert waren und ein unglaublicher Lärmpegel. Ich hatte aber immer noch Hoffnung, da mir ein Luxezimmer zugeordnet wurde. Beim Betreten dieses Zimmers fielen mir beinahe die Augäpfel aus: der gesamte Laminatsboden war mehrfach aufgerissen und glich einem Erdbebenschlachtfeld, die Küche war vor Dreck unbenutzbar, das Bad war ebenfalls völlig verschmutzt auf dem Klo gab es keine Klobrille usw. Mein Chef sagte schon beim Betreten, dass er mich hier auf keinen Fall lasse. Danach sind wir zu meinem Chef gegangen und dort bin ich nun seit Montag im Büro untergebracht. Wir verstehen uns wirklich gut und es passt alles soweit, trotzdem finde ich es natürlich seltsam, meine Unterwäsche auf der Wäscheleine meines Chefs zu trocknen. Na ja am Montag Abend waren mein Chef, seine Frau und ich auf den Schrecken erst einmal einen Trinken. Jetzt warten wir ab, ob sich diese Woche noch etwas tut, zwei Optionen stehen im Moment noch aus. Ich habe für Samstag eine Nachtfahrt nach Odessa gebucht und werde bis nächsten Donnerstag erst einmal ein paar Tage am Meer entspannen. Wie es danach weitergeht werden wir sehen. Ich bin jedenfalls sehr froh, dass ich die Möglichkeit habe, hier zu wohnen und das meine ‚Obdachlosigkeit’ bisher so angenehm und komfortabel verläuft.

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